Gott sein Dank gilt in Deutschland die Fahrerhaftung und nicht wie in vielen anderen Ländern üblich die Halterhaftung. Dies hat zur Folge, das grundsätzlich erst einmal der Fahrer zur Rechenschaft gezogen wird und eben nicht der Halter. Insofern kommt dem Blitzerfoto eine besondere Bedeutung zu. Wie muss also ein Blitzerfoto aussehen, muss ich ein unscharfes Foto hinnehmen und was ist, wenn ich gar kein Foto erhalten habe? All diese Fragen und noch einiges mehr beantworten wir in unserem Fachartikel.
Inhaltsverzeichnis
Schlechte Qualität des Bildes
In vielen Fällen sind Blitzerfotos von schlechter Qualität. Sie sind farblos, haben wenig Kontraste und sind häufig unscharf und teilweise sehr verpixelt. Darüber hinaus sind die Gesichtskonturen oftmals nicht genau zu erkennen. Dies müssen Sie nicht hinnehmen, denn Sie müssen eindeutig erkennbar/ identifizierbar sein. Ob das Bild von der Seite oder von vorne aufgenommen wurde, ist hierbei völlig unerheblich. In den Fällen, in den die Qualität des Blitzerfotos nicht ausreicht um den Fahrer zweifelsfrei zu identifizieren, kann das Bußgeldverfahren eingestellt werden. Hierzu das Oberlandesgericht Brandenburg in einem Beschluss vom 02.02.2016:
“Bestehen danach Zweifel an der Eignung eines qualitativ schlechten Bildes zur Identifikation des Betroffenen, so hat der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind umso höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben (BGH, a.a.O., OLG Hamm a.a.O.; st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 2. Februar 2010, Az.: 2 Ss (OWi) 1 B/106; OLG Rostock VRS 108, 29, 30).” (1)
Bitte beachten Sie also, dass der Richter im Rahmen der freien Beweiswürdigung grundsätzlich auch dann gegen Sie entscheiden kann, wenn er Sie als Fahrer auf dem Foto nicht eindeutig identifizieren kann. Willkürlich darf die Entschiedung jedoch in keinem Fall erfolgen. Hierzu das KG Berlin in einer Entscheidung vom 01.08.2017
“Der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht (vgl. BGHSt 29, 18; 10, 208). Dem Gericht sind aber bei der freien Beweiswürdigung Grenzen gesetzt: Es darf seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muss die Beweise erschöpfend würdigen; es muss gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und Erfahrungssätze des täglichen Lebens beachten (vgl. BGHSt 29, 18). Auch im Hinblick auf die Identifizierung eines Betroffenen anhand eines Lichtbildes gelten entsprechende Grenzen für die Beweiswürdigung.” (2.)
Ein sehr unscharfes, kontrastarmes und grob gekörntes Messfoto, das die – zudem teilweise verdeckten – Gesichtskonturen des Fahrers kaum erkennen lässt, ist in der Regel nicht als Grundlage geeignet, den Betroffenen zu identifizieren. (3.)
Der Bußgeldbescheid kommt ohne Blitzerfoto
Das Behörden einen Bußgeldbescheid ohne ein Foto verschicken ist legitim und gängige Praxis. Dies bedeutet nicht, dass der Bußgeldbescheid ungültig wird. Es ist also im Zweifelsfall genau so zu verfahren, wie bei einem Bußgeldbescheid mit Blitzerfoto. Allerdings müssen auch dies nicht einfach so hinnehmen.
In diesem Fall sollten Sie zunächst einmal einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen. Damit verhindern Sie zunächst einmal, dass die Einspruchsfrist abläuft. Bedenken Sie immer, dass Ihre Einspruchsfrist lediglich 2 Wochen ab Erhalt des Bußgeldbescheides beträgt. Gleichzeitig sollten Sie Akteneinsicht beantragen um überhaupt erstmal ein Foto ansehen zu können. Alternativ sollten Sie von der Bußgeldstellen ein qualitativ gutes Bildes anfordern, damit Sie die Vorwürfe prüfen können. Eine entsprechende Formulierung könnte wie folgt aussehen. Gerne können Sie diese benutzen.
“hiermit lege ich fristwahrend Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom …… ein. Leider war dem Bescheid kein Bild beigefügt, so dass ich die von Ihnen erhobenen Vorwürfe nicht prüfen kann. Insofern beantrage ich Akteneinsicht, um mir einen besseren Eindruck durch das Orignalfoto machen zu können. Alternativ bitte ich zur Vereinfachung um Übersendung eines Fotos mit adäquater Qualität. Danach werde ich meinen Einspruch begründen.”
Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, können Sie den Einspruch immer noch zurücknehmen und das Bußgeld zahlen. In dem Fall fallen keine weiteren Kosten an.
Was tun, wenn die Person auf dem Blitzerfoto des Anhörungsschreibens nicht eindeutig identifizierbar ist?
Ein Anhörungsschreiben erhalten Sie immer dann, wenn mit Ihrem Fahrzeug ein Verkehrsverstoß erfolgt ist und die Behörde den Fahrer ermitteln muss. Schließlich kann Ihr Fahrzeug auch von einem anderen gesteuert worden sein. Bitte beachten Sie, dass die Angabe darüber, wer das Fahrzeug zu Tatzeitpunkt steuerte, im Anhörungsschreiben freiwillig ist. Sofern Sie sich selber oder eine andere Person als Fahrer identifizieren und angeben, so erhällt derjenige einen Bußgeldbescheid.
Wenn Sie die Person auf dem Blitzerfoto nicht eindeutig erkennen können, so sollten Sie die Behörde auffordern ein Bild von besserer Qualität zu übersenden, da sie anhand des vorgelegten Bildes keinerlei Angaben machen können. Gerne können Sie die folgende Musterformulierung benutzen:
“Ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom …… Leider ist die Qualität des übersandten Bildes sehr schlecht, so dass ich derzeit keine weiteren Angaben zum Sachverhalt machen kann. Insofern bitte ich um Übersendung eines Fotos mit besserer Qualität. Danach werde ich mich gerne zum Sachverhalt äußern”
Was tun, wenn Sie auf dem Blitzerfoto des Bußgeldbescheides nicht eindeutig identifizierbar sind?
Wenn Sie auf dem Blitzerfoto des Bußgeldbescheides nicht eindeutig identifizierbar sind, so können Sie den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen, ab Erhalt, mit einem Einspruch anfechten. Die Behörde wird damit gezwungen sich erneut mit dem Sachverhalt zu beschäftigen. Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung, d. h. während des Rechtsmittelverfahrens brauchen Sie das Bußgeld nicht zu bezahlen.
Kosten des Einspruches
Bitte seien Sie sich aber darüber im Klaren, dass Ihr Einspruch im Falle einer Niederlage mit Kosten für Sie verbunden ist. In diesem Fall müssen Sie die Gerichtskosten und, sofern Sie sich von einem Rechtsanwalt vertreten lassen, auch dessen Kosten übernehmen. Wie hoch die Kosten sind, mit denen Sie zu rechnen haben, erfahren Sie hier: Bußgeldbescheid
Wird der Betroffene freigesprochen, so gehen die Anwaltskosten in aller Regel zu Lasten der Staatskasse. Sprechen Sie am besten mit Ihrem Anwalt über die Höhe der Kosten, welche im Falle einer Niederlage auf Sie zu kommen. Er kann Ihnen detaillierte Informationen über Ihr individuelles Prozesskostenrisiko geben.
Praxistipp: Wenn das Foto sehr schlecht ist und sie sich nicht darüber im Klaren sind, ob Sie dagegen vorgehen wollen, so sollten Sie selber entweder Akteneinsicht beantragen und alternativ ein Foto von besserer Qualität anfordern. So können Sie Ihre Chancen des Obsiegens besser abschätzen. Dies kostet Sie zunächst nur ein wenig Zeit, sowie Porto und Druckkosten. Denken Sie immer daran, dass vor Gericht das Originalfoto herangezogen wird und nicht das Bild, dass Sie im Bußgeldbescheid erhalten haben.
Verjährungsfrist
Nach Ablauf der Verjährungsfrist erlischt der Anspruch der Bußgeldstelle ein Bußgeld von Ihnen zu verlangen. Die Frist beginnt nach dem Tag der Tat und beträgt drei Monate, § 26 StVG.
“Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei Ordnungswidrigkeiten bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate.”
Innerhalb dieser Frist muss Ihnen die Behörde den Bußgeldbescheid zustellen. Nach dessen Ablauf können Sie Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen und dabei die Einrede der Verjährung geltend machen. Eine entsprechende Formulierung könnte wie folgt aussehen:
“hiermit lege ich Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom …. ein. Der von Ihnen erhobene Vorwurf erfolgte am ……
Der Bußgeldbescheid wurde mir am ….. zugestellt. Auf Grund dessen mache ich ausdrücklich die Einrede der Verjährung gem. § 26 StVG geltend“
Achten Sie wie immer darauf, dass Sie den rechtzeitigen Zugang Ihres Einspruches bei der Behörde nachweisen können. Legen Sie also Einspruch mittels:
- Einschreiben mit Rückschein oder
- Fax und danach verschicken Sie den Einspruch nochmals mit einfachem Brief. Achten Sie darauf, dass Sie beim Fax einen sog. qualifizierten Faxbericht erhalten. Dabei wird die erste Seite Ihres Faxes auf Ihrem Faxprotokoll noch einmal verkleinert abgedruckt, oder
- Geben Sie den Einspruch persönlich ab und lassen Sie sich den Eingang des Einspruches quittieren, oder
- Der Einspruch wird durch einen Boten in den Postkasten geworfen. Der Bote sollte sich Ihre Kündigung durchlesen und selber im Briefumschlag eintüten. Die Uhrzeit des Einwurfes sollte er minutengenau dokumentieren. Besondere Umstände während des Einwurfes (davor oder danach), als weiteres Indiz, dass er auch wirklich da war, sollte er ebenfalls dokumentieren.
Wie auch immer Sie letztlich Einspruch einlegen, sie müssen dessen Zustellung im Streitfall beweisen können.
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Verlängerung der Verjährungsfrist
Bitte achten Sie aber darauf, dass diese Verjährungsfrist auch verlängert werden kann. Dies erfolgt unter anderem durch Übersendung des Anhörungsschreibens an den Beschuldigten. Damit beginnt die dreimonatige Verjährungsfrist von vorne.
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Ihr Team vom Bürgerratgeber
Fazit
Überlegen Sie gut, ob Sie gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch einlegen, besonders wenn Sie einen Rechtsanwalt damit beauftragen. Das Verfahren kann im Falle einer Niederlage sehr teuer werden. Sofern Sie allerdings nichts verbrochen haben oder wenn bei Ihnen durch die Rechtskraft des Bußgeldbescheids sehr viel auf dem Spiel steht, etwa der drohende Verlust des Führerscheins, so sollten Sie durchaus auch dagegen vorgehen. Lassen sie sich hierbei aber am besten von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht anwaltlich beraten und auch vertreten.
(1.) OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.02.2016 – (2 B) 53 Ss-OWi 664/15 (6/16)
(2.) KG Berlin, Beschluss vom 01.08.2017 – 3 Ws (B) 158/17- 162 Ss 88/17
(3.) KG Berlin, Beschluss vom 01.08.2017 – 3 Ws (B) 158/17- 162 Ss 88/17
Letzte Überarbeitung am 13.11.2017
Verwendete Vorschriften: § 26 StVG
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