Schwerbehinderte Menschen haben neben dem allgemeinen Kündigungsschutz in Arbeitsverhältnissen einen besonderen Kündigungsschutz gem. §§ 85 ff. SGB IX. Hierbei ist das besondere Kündigungsverfahren für Schwerbehinderte dem arbeitsgerichtlichen Kündigungsverfahren nach dem Kündigungsschutzgesetz vorgeschaltet.

Schwerbehinderung

Demnach bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt,         § 2 Abs. 2 SGB IX.

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Gleichstellung

Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30; § 2 Abs. 3 SGB IX. Die Gleichstellung wird von der Agentur für Arbeit vorgenommen. Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenzsituation der behinderten Menschen am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder die Vermittlungschancen zu erhöhen. (1.)

Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft

Der Kündigungsschutz besteht jedoch nicht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist. Der Nachweis kann durch Feststellung der jeweiligen Behörde (Bescheid oder Schwerbehindertenausweis) erbracht werden. Es ist nicht erforderlich, dass der jeweilige Bescheid dem Arbeitgeber schon zum Zeitpunkt der Kündigung vorlag. Es genügt, dass dies bis dahin festgestellt wurde.

Gleichwohl trifft den Arbeitnehmer – sowohl im Fall der außerordentlichen, als auch der ordentlichen Kündigung – bei Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung bzw. der Antragstellung die Obliegenheit, innerhalb einer angemessenen Frist – die in der Regel drei Wochen beträgt – auf den besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen. (2)

Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer den Kündigungsschutz aber auch in Anspruch nehmen, wenn die Behörde über den Antrag auf Schwerbehinderung oder dessen Gleichstellung noch nicht entschieden hat, § 90 Abs. 2a SGB IX. Dafür müssen aber die folgenden durch Gesetz und Rechtsprechung festgelegten Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Der Antragsteller ist seiner Mitwirkungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen.
  • Der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft oder dessen Gleichstellung muss mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt worden sein (3.)
  • Die Behörde hat innerhalb der drei Wochenfrist keine Entscheidung getroffen.

Der Kündigungsschutz besteht auch, wenn die Behörde einen GdB unterhalb von 50 festgestellt oder eine Gleichstellung abgelehnt hat und der Betroffene dagegen wirksam in Widerspruch gegangen ist und die Behörde darüber noch nicht entschieden hat. Die Zustimmungspflicht gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung.

Zustimmungspflicht

Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ist unwirksam. Die Zustimmung kann auch nicht nachträglich eingeholt werden. Die Zustimmungspflicht gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung.

Wann ist eine Zustimmung nicht erforderlich

Beim Vorliegen einer der nachfolgenden Voraussetzungen ist eine Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung nicht erforderlich:

  • wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder
  • bei Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften oder
  • bei Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt, oder
  • bei Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen
  • bei Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden, oder
  • bei Personen die das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben oder
  • bei Personen die einen Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben,

In den zuvor genannten Fällen genügt es, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen, § 90 Abs. 1 SGB IX.

Darüber hinaus ist eine Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich:

  • bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist oder
  • wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen werden kann oder das Versorgungsamt nach Ablauf einer drei Wochenfrist eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte oder
  • bei einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag oder
  • wenn der Schwerbehinderte selber kündigt oder
  • sofern bei einem befristeten Arbeitsvertrag die Laufzeit beendet ist.

Ablauf bei ordentlicher Kündigung

Der Arbeitgeber beantragt die Zustimmung zur Kündigung bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich. Das Integrationsamt soll die Entscheidung, falls erforderlich auf Grund mündlicher Verhandlung, innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an treffen.

„Bei der Ermessensentscheidung über die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten (oder gleichgestellten) Arbeitnehmers hat das Integrationsamt die widerstreitenden Interessen des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und die Interessen des Arbeitgebers an der Wahrung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegeneinander abzuwägen. Wird die Kündigung auf Gründe gestützt, die mit der Behinderung in Zusammenhang stehen, sind an die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses besonders hohe Anforderungen zu stellen. In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber danach verpflichtet sein, den schwerbehinderten Arbeitnehmer ‘durchzuschleppen’.

Die Zustimmung des Integrationsamts zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten verlangt, zuvor alle anderen Möglichkeiten für den Erhalt des Arbeitsplatzes zu untersuchen und auszuschöpfen. Bei einer in der Behinderung wurzelnden personenbedingten Minderleistung muss zugleich die Inanspruchnahme von Mitteln des Integrationsamts – z.B. die Zahlung eines Minderleistungsausgleichs nach § 102 Abs.3 S.1 Nr. 2 e SGB IX i.V.m. § 27 SchwbAV – bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden.“ (4)

Entscheidung des Integrationsamtes

Das Integrationsamt holt zur Entscheidungsfindung eine Stellungnahme des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den schwerbehinderten Menschen an. Darüber hinaus besteht die Verpflichtung des Integrationsamts, bei krankheitsbedingten Kündigungen Ursachen und Folgen der Erkrankung des Arbeitnehmers aufzuklären, § 20 SGB X. Bei Fehlen der erforderlichen medizinischen Sachkunde auf Seiten der Behörde hat diese regelmäßig eine ärztlichen Sachverständigengutachtens einzuholen. (5.)

Zustellung der Entscheidung

Die Entscheidung wird dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt. Der Bundesagentur für Arbeit wird eine Abschrift der Entscheidung übersandt. Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung (6.)

Nach Erhalt der Kündigung kann sich der Schwerbehinderte noch nach den Regelungen des Kündigungschutzgesetzes wehren, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen. Auch der schwerbehinderte Arbeitnehmer muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, § 4 Abs. 1 KschG. Die Frist zur Klageerhebung beim Arbeitsgerichtes beginnt jedoch erst mit der Bekanntgabe der Zustimmung des Integrationsamtes an den Arbeitnehmer.

Das Integrationsamt erteilt die Zustimmung bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist, § 89 SGB IX.

Beachte: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn sie im       Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt,               § 92 SGB IX.

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Ablauf bei außerordentlicher Kündigung

Der Arbeitgeber beantragt die Zustimmung zur Kündigung bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich.

Die Zustimmung zur Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrages bei dem Integrationsamt. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Das Integrationsamt trifft die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt. Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht, § 91 SGB IX.

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(1.) BAG, Urteil vom 23.5.2013 – 2 AZR 991/11
(2.) BAG Urteil vom 9.6.2011, 2 AZR 703/09
(3.) BAG 29. November 2007 – 2 AZR 613/06
(4.) VGH Bayern – Urteil vom 31.01.2013 – Az 12 B 12.860
(5.) VGH Bayern – Urteil vom 31.01.2013 – Az 12 B 12.860
(6.) BSG, Urteil vom 1.3.2011 – B 7 AL 6/10 R

Letzte Überarbeitung am 26.04.2017


Wichtige Vorschriften: § 2 SGB IX, §§ 85 ff. SGB IX, § 4 KSchG, § 20 SGB X, § 102 SGB IX, § 27 SchwbAV