Das Opferentschädigungsgesetz ist Teil des Sozialen Entschädigungsrechts. Es greift insbesondere auch dann, wenn der Staat seine Bürger nicht vor Schädigungen aus kriminellen Handlungen schützen kann. Hierzu das Bundessozialgericht in einer wegweisenden Entscheidung. (1)

„Der Staat hat ein Monopol für die Verbrechensbekämpfung und ist deswegen für den Schutz der Bürger vor Schädigungen durch kriminelle Handlungen, insbesondere durch Gewalttaten, im Bereich seines Hoheitsgebietes und damit seiner Herrschaftsgewalt verantwortlich. Vielfach können das unmittelbare Opfer und seine Hinterbliebenen überhaupt keinen oder keinen ausreichenden Schadensersatz vom Täter erhalten und konnten auch keine zumutbare allgemeine Privatversicherung gegen solche Schäden abschließen, geraten also infolge der Gewalteinwirkung in wirtschaftliche Not. Wer Opfer einer Gewalttat wird, soll aus Solidarität innerhalb der allgemeinen staatlichen Gefahrengemeinschaft entschädigt werden; das geschieht aus Steuermitteln anstelle einer alle Bürger umfassenden Versicherung.“

Wann Sie einen Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz haben, wie sich dieser ausgestaltet und was Sie hierbei alles zu beachten haben wollen wir Ihnen im Folgenden erläutern.

Wann besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz

Wer in Deutschland oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält grundsätzlich wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz, § 1 Abs. 1 OEG. Es müssen also:

  • eine vorsätzliche, rechtswidrige und tätliche Gewalttat,
  • eine Verletzung durch die Gewalttat sowie
  • ein dauerhafter Gesundheitsschaden durch die Verletzung (Schädigungsfolge) vorliegen, damit Ihr Anspruch nach dem OEG anerkannt wird. Dies liegt vor, wenn die Schädigung mehr als sechs Monate andauert, § 30 Abs.1 S.3 BVG. Sofern die Folgen durch die Krankenbehandlung folgenlos abheilen, besteht kein Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz.

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Gewalttat

Ein solcher tätlicher Angriff setzt grundsätzlich eine gewaltsame physische – nicht nur psychische – Einwirkung voraus, die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielt.(2) Als Gewalttat im Sinne des Opferentschädigungsgesetz kommen regelmäßig die folgenden Handlungen in Betracht:

  • die klassische Körperverletzung
  • Sexualdelikte
  • Freiheitsberaubung, wenn aus dem Verhalten des Täters der Schluss auf eine drohende verstärkte Gewaltanwendung bei einem ggf beabsichtigten Widerstand des Opfers gezogen werden kann (3)
  • erhebliche Kindeswohlgefährdung eines Kleinkindes

Einer gesundheitlichen Schädigung steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich, § 1 Abs. 10 OEG.

Die Anwendung des Opferentschädigungsgesetzes kommt in aller Regel nicht bei den folgenden Handlungen in Betracht:

  • bloße Drohungen mit Gewalt
  • normale Verkehrsunfälle
  • Stalking
  • Angriffe in Form einer Notwehrhandlung. Unter Umständen hat hier sogar der in Notwehr Handelnde einen Anspruch nach dem OEG.

Wer kann einen Anspruch nach dem OEG geltend machen?

Grundsätzlich können alle Menschen die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten einen Anspruch auf Opferentschädigung nach dem OEG geltend machen , sofern Sie die zuvor genanten Voraussetzungen erfüllen. Einen vollen Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten aber nur:

  • Deutsche Staatsbürger
  • Staatsbürger eines anderen EU-Landes, §1 Abs.4 Nr.1 OEG
  • Nicht EU-Ausländer, die sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Deutschland aufhalten, §1 Abs.5 Nr. 1 OEG
  • Nicht EU-Ausländer, wenn die Gegenseitigkeit gewährleistet ist. Diese liegt vor, wenn in Herkunftsland des Betroffenen ein vergleichbares Gesetz besteht, auf Grund dessen ein Deutscher ähnliche Ansprüche geltend machen kann.

Eingeschränkte Leistungen nach dem OEG können die folgenden Personen geltend machen:

  • Nicht EU-Ausländer, die sich noch keine drei Jahre in Deutschland aufhalten. Sie erhalten ausschließlich einkommensunabhängige Leistungen.
  • Touristen aus dem Nicht EU-Ausland mit kurzzeitigem Aufenthalt

Versagung des Anspruchs

Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Geschädigte selber in die organisierte Kriminalität verwickelt ist oder war oder einer Organisation, die Gewalttaten begeht, angehört oder angehört hat und in Folge dessen geschädigt wurde, § 3 OEG

Besonderheit Deutsche Staatsbürger im Ausland

Deutsche Staatsbürger die im Ausland Opfer von einer Gewalttat werden, erhalten lediglich die auf Grund der Schädigungsfolgen notwendigen Maßnahmen der Heilbehandlung und der medizinischen Rehabilitation einschließlich psychotherapeutischer Angebote. Darüber hinaus erhalten Geschädigte lediglich die folgenden Einmalzahlungen:

  • 717 Euro ab einem GdS von 10 bis 20
  • 1.428 Euro bei einem GdS von 30 und 40
  • 5.256 Euro bei einem GdS von 50 und 60
  • 9.192 Euro bei einem GdS von 70 bis 90
  • 14.976 Euro und bei einem GdS von 100

Bei Verlust mehrerer Gliedmaßen, bei Verlust von Gliedmaßen in Kombination mit einer Schädigung von Sinnesorganen oder in Kombination mit einer Hirnschädigung oder bei schweren Verbrennungen beträgt die Einmalzahlung 25.632 Euro, § 3a OEG.

Wie wird die Schädigung gemessen?

Wie bereits weiter oben ausgeführt, muss eine dauerhafte Schädigungsfolge zurückbleiben. Das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung wird mit dem Grad der Schädigung (GdS) gemessen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen, § 30 Abs.1 S. 1 BVG.

Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst, § 30 Abs.1 S1 BVG.

Gesamt-GdS

Bestehen mehrere Schädigungen, so werden diese unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zu einem Gesamt-GdS zusammengefasst. Die Einzel-GdS dürfen hierbei jedoch nicht einfach addiert werden.

Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdS in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdS bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Beeinträchtigung größer wird.

Wenn Sie herausfinden möchten für welche Erkrankung welcher Grad der Schädigung festgelegt ist können Sie in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nachschlagen. Diese legen eine Skala fest, nach der ärztliche Gutachter Ihre Behinderung bewerten. Zur Erläuterung für Sie:

  • Grad der Schädigung (GdS) = Grad der Behinderung (GdB)

Welche Leistungen können im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes erbracht werden?

Das Leistungsspektrum des Opferentschädigungsgesetzes ist vielfältig. Welche Leistungen in welchem Umfang erbracht werden, hängt unter anderem vom GdS ab. Im Einzelnen können folgende Leistungen erbracht werden:

  1.  Heil- und Krankenbehandlung: Diese Leistungen werden unabhängig vom GdS für den Geschädigten selber sowie für dessen Angehörige erbracht und ähneln denen der gesetzlichen Krankenversicherung, § 10 BVG.
  2. Beschädigtenrente: Die Beschädigtenrente setzt sich aus der Grundrente, der Schwerbeschädigtenzulage, der Schwerstbeschädigtenzulage und der Ausgleichsrente zusammen.

Grundrente

Beschädigte erhalten eine monatliche Grundrente bei einem Grad der Schädigungsfolgen:

Die Grundrente erhöht sich für Schwerbeschädigte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, bei einem Grad der Schädigungsfolgen:

Schwerbeschädigung liegt vor, wenn ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 festgestellt ist, § 31 Abs. 2 BVG.

Schwerstbeschädigtenzulage

Beschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100, die durch die anerkannten Schädigungsfolgen gesundheitlich außergewöhnlich betroffen sind, erhalten eine monatliche Schwerstbeschädigtenzulage, die in folgenden Stufen gewährt wird:

Ausgleichsrente

Schwerbeschädigte erhalten eine Ausgleichsrente, wenn sie eine ihnen zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausüben können. Anderes Einkommen wird hierbei jedoch angerechnet, § 33 Abs. 1 BVG. Die volle Ausgleichsrente beträgt monatlich bei einem Grad der Schädigungsfolgen:

Pflegezulage

Solange Beschädigte in Folge der Schädigung hilflos sind, wird eine monatliche Pflegezulage gezahlt. Hilflos sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den zuvor genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

Hinterbliebenenversorgung

Die Hinterbliebenenversorgung setzt sich aus dem Bestattungsgeld, dem Sterbegeld und der Hinterbliebenenrente zusammen.

Bestattungsgeld

Beim Tod eines rentenberechtigten Beschädigten wird ein Bestattungsgeld gewährt. Es beträgt 1.745 Euro, wenn der Tod die Folge einer Schädigung ist, sonst 874 Euro. Der Tod gilt stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, dass als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Es wird an denjenigen gezahlt, der die Bestattung besorgt hat, § 36 BVG.

Sterbegeld

Beim Tod eines Beschädigten ist ein Sterbegeld in Höhe des Dreifachen der Versorgungsbezüge zu zahlen, die ihm für den Sterbemonat zustanden. Pflegezulage jedoch höchstens nach Stufe II, § 37 BVG.

Hinterbliebenenrente

Ist ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung gestorben, so haben die Witwe, der hinterbliebene Lebenspartner, die Waisen und die Verwandten der aufsteigenden Linie Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Der Tod gilt stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war.

Die Witwe oder der hinterbliebene Lebenspartner erhält eine Grundrente von 435 Euro monatlich, § 40 BVG.

Waisenrente erhalten nach dem Tode des Beschädigten seine Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Davon umfasst werden auch die Stief- und Pflegekinder des Beschädigten. Die Waisenrente wird maximal bis zur Vollendung des 27 Lebensjahres erbracht, wenn sich der Waise etwa in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, § 45 Abs. 3a BVG.

Die Grundrente beträgt monatlich bei Halbwaisen beträgt monatlich 122,00 Euro, bei Vollwaisen 229,00 Euro, § 46 BVG.

Die volle Ausgleichsrente beträgt monatlich bei Halbwaisen 215,00 Euro, bei Vollwaisen 299,00 Euro, § 47 BVG.

Übergang gesetzlicher Schadensersatzansprüche

Sobald Leistungen durch das OEG erbracht werden, geht der gegen Dritte bestehende gesetzliche Schadensersatzanspruch von Anfang an auf den Leistungsträger über, § 5 OEG. Dies hat zur Folge, dass das Land die entsprechenden Schadensersatzansprüche gegenüber dem Täter geltend machen kann. Im Gegenzug erhält der Geschädigte eine entsprechende Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz. Etwaige Ansprüche auf Schmerzensgeld bleiben davon jedoch unberührt.

Antrag | Bescheid | Widerspruch | Klage

Wenn Sie Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten möchten, müssen Sie dies beim zuständigen Versorgungsamt Ihres Wohnortes beantragen. Dort erhalten Sie auch die notwendigen Formulare. Achten Sie wie immer darauf, dass Sie die Antragsstellung im Streitfall nachweisen können.

Anhand von medizinischen Unterlagen wie Befunden und Gutachten behandelnder Ärzte, Krankenhäuser oder anderer Behörden trifft der ärztliche Dienst des Versorgungsamtes eine abschließende Entscheidung über den Grad der Schädigung oder empfiehlt die persönliche Begutachtung.

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Daraufhin erfolgt eine Entscheidung des Versorgungsamtes mittels Bescheid. Sofern Sie damit nicht einverstanden sind, so können Sie dagegen Widerspruch einlegen. Die Entscheidung über den Grad der Schädigung wirkt auf den Tatzeitpunkt zurück und gilt für die Zukunft.

Sollten Sie mit dem Widerspruchsbescheid erneut nicht einverstanden sein, so können Sie als letzten Mittel eine Klage vor dem Sozialgericht einreichen, § 7 OEG. Auch hierfür gilt die Frist von einem Monat ab Erhalt des Widerspruchsbescheides.

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Ihr Team vom Bürgerratgeber

Fazit

Stellen Sie auf jeden Fall einen Antrag auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz, wenn Sie Opfer einer der zuvor dargestellten kriminellen Handlung geworden sind. Die Materie ist sehr umfangreich und undurchsichtig. Lassen Sie sich hierzu gegebenenfalls im Vorfeld von einem Mitarbeiter des Versorgungsamtes beraten. Lassen Sie hierzu ein Beratungsprotokoll erstellen.

(1) BSG, Urteil v. 7. 11.1979, Az. 9 RVg 2/78
(2) BSG, Urteil v. 16.12.2014, AZ. B 9 V 1/13 R
(3) BSG, Urteil v. 07.04.2011, AZ. B 9 VG 2/10 R

16.01.2017


Wichtige Vorschriften: §§ 1, 3, 3a,5 OEG, § 10 BVG, §§ 30ff BVG